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79 Nationen für die Pflege von morgen

An der Evangelischen Berufsschule für Pflege lernen junge Menschen aus aller Welt miteinander. Viele von ihnen haben Flucht, Verlust und Einsamkeit erlebt. Im Beruf werden sie es sein, die anderen zur Seite stehen.

Mehr als die Hälfte der Auszubildenden an der Evangelischen Berufsschule für Pflege hat einen Migrationshintergrund, insgesamt sind 79 Nationen vertreten. „Ohne sie könnten wir zumachen“, sagt Schulleiter Carsten Mai. Seit rund zehn Jahren wächst die Zahl der vertretenen Nationalitäten kontinuierlich. Man könnte auch sagen: Die Schule wird immer internationaler. An der Spitze stehen derzeit die Türkei, Polen und Syrien. Mai sieht darin eine Chance, denn an seiner Schule wird die Pflege von morgen entwickelt – kultursensibel und mehrsprachig.

Teamarbeit gegen Alltagsrassismus

Wenn viele Nationalitäten und Temperamente aufeinandertreffen, sind Konflikte unvermeidlich. Bei Alltagsrassismus allerdings hören die Lehrkräfte genau hin. Sie rügen aber niemanden, sondern bieten neue Erfahrungen, die ein respektvolles Miteinander fördern. In intensiv betreuten Kleingruppen lernen sich die Auszubildenden kennen. Die Teams werden dabei immer wieder neu gemischt. Wer gemeinsam lernt, Wunden zu versorgen oder Kompressionsverbände anzulegen, kommt sich näher und merkt, dass es viel mehr Gemeinsames als Trennendes gibt.

Ausbildungsstart in Deutschland

Bei ihrer Ankunft in Deutschland erleben viele Pflegeschüler*innen aus dem Ausland einen Kulturschock. Und das zu Beginn ihrer Ausbildung. Das Problem ist dabei weniger die Sprache, sondern das Alleinsein, bevor der erste Freund gefunden ist, und das Rätsel einer noch fremden Kultur. Deshalb steht am Anfang der Ausbildung Biografiearbeit. Die Schüler*innen sprechen über ihre Lebenswege und vergleichen sie mit denen älterer Hamburger*innen. 

Unterstützung in Wohnungsnot und psychischen Notlagen

Manche Auszubildenden müssen unter besonders schwierigen Bedingungen lernen. In Hamburg eine Wohnung zu finden, ist nicht leicht. Wer aus einer Geflüchtetenunterkunft endlich in ein eigenes Zimmer zieht, hat zwar wieder Privatsphäre, verliert aber auch die psychologische Betreuung. Die Evangelische Berufsschule für Pflege hilft in solchen Fällen dabei, einen Therapieplatz zu finden. Bei drohender Obdachlosigkeit unterstützt sie bei der Wohnungssuche. Geplant ist die Schaffung einer sozialpädagogischen Stelle. Damit in Notsituationen immer ein „Azubi-Companion“ ansprechbar ist.

Nähe, Distanz und Respekt

Pflege bedeutet körperliche Nähe. Grenzen wollen gesetzt und eingehalten werden. Was o.k. ist und was nicht, kann kulturell sehr unterschiedlich sein. Was den einen viel zu nah ist, mag anderen als angemessener Gesprächsabstand erscheinen. Hier heißt es nachfragen. In den Unterrichtsstunden lernen die Auszubildenden auch, wie sie Patient*innen berühren, ohne sie zu erschrecken. Wie sie am Bett stehen und auf Augenhöhe bleiben. Bei so viel Dazulernen, darf nicht vergessen werden, wie viel Schüler*innen aus anderen Kulturen mitbringen: eine freundliche Haltung dem Alter gegenüber und Respekt zum Beispiel. Vielfalt ist aus vielen Gründen eine großartige Basis für die Pflege der Zukunft.

Die Evangelische Berufsschule für Pflege zieht viele internationale Pflegeschüler*innen an. (Foto & Text: Christiane Zwick(